Bosnien - zwischen leisen Tränen und neuem Leben

Fotografie Sabine Aichberger, Tierfotografie, Hundefotografie, Pferdefotografie, picyourpet, Linz

Auf die Plätze, fertig, los!

Als mich meine liebe Kollegin und Freundin Marion Martin – Lichtfreiheiten, fragte, ob ich sie nach Bosnien begleiten möchte um Wildpferde zu fotografieren, war ich natürlich sofort Feuer und Flamme. Wildpferde in einem fremden Land? – Natürlich war ich dabei! Bosnien ist jetzt zwar von Österreich nicht unbedingt weit weg, aber seien wir uns doch ehrlich, wir Österreicher neigen dazu in unserem Urlaub in die Ferne zu schweifen. Italien oder Kroatien, ja, wenn schon Urlaub in der Nähe, sonst doch eher Spanien, Griechenland oder noch weiter weg. Daher war für mich Bosnien zwar namentlich ein Begriff, ich wusste irgendwann in meiner Kindheit war da Krieg. Allerdings war ich zu der Zeit so klein, dass ich keine Vorstellung hatte, was das bedeuten soll und sonst hatte ich keine Vorstellung von Bosnien. Also auf in ein neues Abenteuer!

Die Anreise

Wir waren mit dem Auto unterwegs und unsere Route führte uns durch Österreich, Slovenien, Kroatien und dann kamen wir in unser Zielland Bosnien. Die kürzeste Strecke zu unserem Ziel in Livno führte uns quer durch das Land und ich war erstaunt, wie vielseitig und wunderschön die Landschaft von Bosnien war…
Ich bitte euch übrigens im Vorfeld schon einmal die etwas durchwachsene Qualität der Reisebilder zu entschuldigen. Die meisten davon sind nämlich aus dem fahrenden Auto mit dem Handy entstanden ;). Ich denke aber trotzdem, dass ihr vielleicht einen Eindruck von dem Land bzw. meiner doch sehr gemischten Gefühlswelt bekommt.

Stimmungsschwankungen

… gleichzeitig war die Stimmung sehr gedrückt, da ich es nicht fassen konnte, wie präsent der Krieg noch schien, obwohl dieser doch schon Jahrzehnte zurückliegt.

Geisterdörfer…

verlassene Straßen in denen wilde Hunde und Pferde die einzigen Lebenszeichen sind, Ruinen, Züge – dem Zahn der Zeit überlassen. Aufgegebenen Fabriken, Minenwarnschilder, Bombenkrater und in jedem noch so kleinen Dorf leuchten einem wie ein Mahnmal weiße Kreuze und Grabsteine entgegen.

Die Zeit steht still…

Würde sich nicht langsam aber sicher die Natur ihren Platz zurück erobern, könnte man meinen, die Panzer sind erst gestern durch die Straßen gerollt…

Hilflosigkeit oder Gleichgültigkeit?

Auf jedem Stück des Weges konnte man die gedrückte Stimmung spüren, die Trostlosigkeit in den Dörfern, teilweise Aufgabe, Hilflosigkeit und Mutlosigkeit bei den Bewohnern. Das Ganze gemischt mit Gleichgültigkeit, welche sich an den Müllbergen entlang der Straßen gezeigt hat, aber auch mit einem kleinen Funken Humor, Protest und dazwischen weiden die Schafe.

Das Ziel

Nach einer knapp zehnstündigen Anreise, mit einer Berg und Talfahrt der Gefühle, hatten wir unser Ziel Livno, ein kleines Städtchen, erreicht. Dort hoch oben, weit hinter der Kirchturmspitze, in den bosnischen Hochebenen wartete der Grund unserer Reise und wir konnten es kaum erwarten.

Fotografie Sabine Aichberger, Tierfotografie, Hundefotografie, Pferdefotografie, picyourpet, Linz

Die Hochebenen von Livno

Zutritt nur mit Ranger

Zugang zu dem Gebiet wo die Wildpferde leben hat man nur in Begleitung eines Rangers, welcher das Gebiet regelmäßig kontrolliert. Wir hatten bei unserer Ankunft zwar natürlich auf eigene Faust versucht mit dem Auto in das Gebiet ein Stück vorzudringen, doch sehr rasch unser Vorhaben wieder aufgegeben und auf den nächsten Tag gewartet. Es gibt nämlich keine Straße, sonder nur Trampelpfade und Fahrspuren der Geländefahrzeuge der Ranger. Aber diese führen tatsächlich über Felsen, also wer sein Auto liebt…

Abgesehen davon wären wir vermutlich tagelang in den Bergen herumgeirrt ohne auch nur ein Pferd zu sehen. Da die Ranger die Wege ihrer Schützlinge sehr genau kennen und das Gebiet riesig ist, ist man auf ihre Hilfe angewiesen, um den Spuren der Wildpferde folgen zu können.

Achtung! Dieses Video ist nicht geeignet für alle, die nicht Hochseetauglich sind 🙂

 

Woher die Ranger kommen

Die Ranger üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. Viele von ihnen sind ehemalige Soldaten und haben mit den Wilpferden eine ganz eigene Beziehung. Obwohl während der  Kriegszeiten als lästig angesehen und daher vertrieben, fanden sich doch am Ende dieser schrecklichen Zeit rasch Wilderer und Pferdediebe ein. Schon während des Krieges kamen einige Soldaten mit den Wildperden in Kontakt und lernten diese freien und starken Lebewesen zu schätzen.

Da sowohl die Pferde in den Hochebenen als entbehrlich angesehen wurden, wie auch die Soldaten am Ende der Kämpfe, haben diese ein ganz eigenes Verständnis für diese Tiere entwickelt und sahen es als Ihre Pflicht an, diese schönen und wilden Pferde zu schützen.

Ein karitativer Verband entsteht

Daraus entstand ein Verein und es wurden Gesetze zum Schutz der Wildperde erwirkt. Mithilfe von Spenden und dem Verdienst durch die Fahrten der Ranger, arbeiten diese daran, gerade in den trockenen Sommern ausreichend Wasserlöcher zu schaffen. Ebenso werden für strenge Winter, in welchen es auf dem kargen Platteau kaum Nahrungsangebot gibt, Futterstellen eingerichtet. Die Wildperde würden sonst auf Nahrungssuche tiefer in die Täler ziehen, somit wäre aber ein Konflikt mit den dort lebenden Bauern vorprogrammiert.

Obwohl die Pferde völlig unbeeinflusst leben, achten die Ranger auf ihr Wohl und patroullieren durch das gesamte Gebiet. Nur wenn ein Pferd so schwer verletzt ist, dass es keine Überlebenschance hat, wird es von seinem Leiden erlöst.

Die näheren Hintergründe und die Geschichte der Pferde hätte uns sehr interessiert, aber leider konnten wir aufgrund der sprachlichen Barriere nicht mehr Informationen erhalten. Nur wenige Ranger sprechen ein paar Brocken Englisch, die Kommunikation fand daher meist mit Händen und Füßen statt.

Die ersten Begegnungen

Nach einer sehr holprigen Anfahrt führten uns die Ranger rasch zu der ersten Pferdefamilie. Dort haben wir dann das Fahrzeug verlassen und waren ab diesem Zeitpunkt auf uns allein gestellt. Die erste Begegnung ist immer ein magischer Moment. Aus der Ferne die Familie zu beobachten; wie reagieren sie? Wie weit können wir uns annähern oder laufen sie vielleicht weg? Doch sie haben uns sehr gelassen in Empfang genommen und nach einer kurzen Eingewöhnungsphase wurden wir rasch neugierig beschnuppert. Das war unsere Einladung, die Familie, mit ein wenig Abstand, über die Ebene ein Stück Ihres Weges zu begleiten.

Wieder einmal ein Dankeschön an die liebe Marion für die Kennenlerndemonstration 😉

Fotografie Sabine Aichberger, Tierfotografie, Hundefotografie, Pferdefotografie, picyourpet, Linz
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Auf steinigen Pfaden…

Der erste Tag auf Wanderung in der Hochebene von Livno. Wir haben uns einer Pferdefamilie angeschlossen und uns mit ihr auf den Weg gemacht. Die Landschaft war atemberaubend und wir haben unseren stillen Weg mit den sanften Tieren sehr genossen, obwohl uns das Wetter wieder einmal alles andere als gnädig war. Regen, Graupelschauer, Hagel und gefühlte zwei Grad verfolgen uns an diesem Tag.

Es heißt ja immer, schlechtes Wetter gibt es nicht, höchstens die falsche Kleidung, und die hatte ich an diesem Tag definitiv an ;). Aber die Erlebnisse und Eindrücke haben alles wieder wett gemacht.

Die Geburt

Für mich sicherlich eines der eindrucksvollsten Erlebnisse, war die Geburt eines Fohlens in freier Wildbahn. Wir hatten tatsächlich das Glück, im richtigen Moment am richtgen Ort zu sein, und durften dieses Wunder der Natur miterleben. Im Regen, bei scharfem Wind und auf nacktem Fels hat dieses kleine Geschöpf das Licht der Welt erblickt.

Warten auf den ersten Schritt

Gespannt haben nicht nur wir, mit gebührendem Abstand, damit die Stute nicht gestört wird, den Geburtsvorgang abgewartet. Auch der Rest der kleinen Pferdefamilie hat den Vorgang aufmerksam beobachtet. Besonders interessant war, dass sich als einziger ein Jährling, offensichtlich der ältere Sohn, nähern durfte. Dieser hat auch als erstes das Fohlen begrüßt, während der Hengst mit respektvollem Abstand das Geschehen überwachte.

Angespornt vom älteren Bruder und mit Unterstützung der Mutter, war es nach einer Stunde soweit und das Fohlen stand endlich auf seinen eigenen Beinen. Wir haben ebenfalls bei seinen ersten Versuchen mitgefiebert und waren sehr erleichtert, als es dann geschafft war, denn in der Nacht kommen die Wölfe und die Familie musste rasch weiter ziehen.

Das Zusammenleben

Aber nicht nur die Geburt des neuen Lebens war ein Erlebnis für sich, auch die unterschiedlichen Familien und Herdengruppierungen zu beobachten, das Sozialverhalten, die gegenseitige Fellpflege, die liebevolle Fürsorge um den Nachwuchs und das ausgelassene Spiel der jungen Tiere, waren großartige Augenblicke.

Wilde Idylle oder doch harter Überlebenskampf?

Einige Tage und viele Stunden waren wir mit unterschiedlichsten Pferdefamilien und Gruppen unterwegs. Es gab viele berührende, manchmal lustige und auch viele stille Momente, wo wir einfach nur auf den Felsen saßen, umringt von Pferden, und diese friedlichen Augenblicke ganz in uns aufgenommen haben.

ABER…

…gleichzeitig wurden wir auch Zeuge, wie hart der Kampf in den Gruppen für die Leithengste ist. Täglich konnten wir kleinere Rangeleien, aber auch blutige Auseinandersetzungen um den Zusammenhalt der eigenen Familie, oder die höhere Position in der Gruppe, beobachten.

Manche der Hengste standen ständig unter Strom, immer auf der Suche nach dem nächsten Rivalen. Es wurde gezankt, posiert und gekämpft, bis im wahrsten Sinne des Wortes das Blut spritzte.

Uns wurde zum Teil beim Beobachten, mit sicherem Abstand, ganz mulmig, da man spüren konnte, wie ernst die Situation war. Auf gar keinen Fall wollten wir hier irgendwie zwischen die Fronten geraten.

Wildheit und Eleganz pur

Ganz besonders beeindruck war ich von diesem schwarzen Hengst. Zwar gezeichnet von vielen Kämpfen, aber trotz alledem strahlte er Eleganz, Stärke und Überlegenheit aus. Dies konnte man auch deutlich bei allen Aufforderungen von jüngeren Hengsten spüren. Mehr als nur beeindruckend und wunderschön.

Ein Résumé

Die Reise nach Bosnien war für mich in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung, aber auch eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Nicht nur die wunderschöne Landschaft, die vielen noch greifbaren und sichtbaren Zeugen der Geschichte und der Zeit, sondern auch die unglaublich berührenden Augenblicke während der Geburt oder der Aufenthalt zwischen all diesen wunderschönen, sanften, liebevollen, aber auch kampfbereiten Wildpferden, die mit all ihrer Kraft den manchmal harten Lebensbedingungen in den Hochebenen Livnos trotzen.

Jedem, der jetzt Lust bekommen hat, sich einmal Bosnien abseits des Mainstreams und der Touristenpfade anzusehen, kann ich nur aus tiefstem Herzen empfehlen, dem vielleicht etwas unbequemeren Weg querlandein zu folgen. Dafür aber reich an Eindrücken und vielleicht auch mit ein wenig mehr Demut und Wertschätzung wieder heim zu reisen.

Und wer jetzt immer noch Lust auf wilde Pferde hat…

… noch ein paar Impressionen